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Die Musikstunde

 
Die Musikstunde Content : Die Musikstunde
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Huldigung an Yves Nat (1890 -1956)
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Huldigung an Yves Nat (1890 -1956)

 

Fünfzig Jahre 

von

Monsegur Vaillant

Guten Tag, Meister !

Diemer Saal, rue de Madrid, Ende März, eins dieser zeitlosen Jahre ; es ist schön  und mild, wir sitzen unter den Fenstern, ganz nah an den beiden Erard Klavieren, nervös hinter dem Austausch von Banalitäten, ein wenig gespannt von der Sorge, es recht zu machen, aber glücklich , bereit, teilzunehmen an dem Aussergewöhnlichen Konzert, privilegiert von ihm, der uns plötzlich  zu Waisen machen sollte auf dem Weg in Richtung auf das Absolute.

            Die Tür öffnet sich : "Guten Morgen, meine Kinder, es ist Frühling, geht doch aufs Land atmen, spazierengehen, und vergesst das Klavier !"  Yves Nat ist gerade eingetreten, in einem  Hauch von High LifeZigaretten, die doch seiner Gesundheit schädlich sind, und lädt uns herzlich ein, ohne Überschwang oder ausgestreckte Hand ("das ist unhygienisch… was für ein Austausch von Mikroben… !" ) , mit tiefer und runder Stimme im leichten Béziers-Aksent, zum musikalischen Bankett, das folgt, und lässt sich nieder vor seinem Klavier, dem an der Seitenwand. "Was ist heute auf der Speisekarte ?" Dann, sich an eine in den "ecriture" Klassen schon überdiplomierte Schülerin wendend ! : "Was hast du auf deinem Teller ?"  "DieBarcarolle von Chopin ". "Gut !". Beginnt eine manierierte Interpretation, detailliert bis in die Wassertropfen einer Welle, deren Kurven sich schliesslich auflösen. Wir langweilen uns. Am ende des Werks : "Gut zurechtgekommen ! Aber glaubst du nicht, dass es besser wäre, ein regelmässig schwingendes Tempo anzuwenden ?".

            Yves Nat spielt dann die Einleitung : ein prachtvoller Bass, gefolgt von einem fragenden Akkord im Raum, der in Spiralen wieder heruntersteigt und nach einer letzten zögernden Stille in eine regelmässige Wellenbewegung mündet unter Beibehaltung einer melodieführung von unendlicher Süsse . Wir verlassen das Stoffliche und lassen uns fortziehen in einen unwiderstehlichen Wirbel, gewaltig, in diesem Universum, in dem Chopin sich bewegt hat, wie auch Beethoven, Schubert, Schumann, all diejenigen, die den Gipfel erreicht haben, und dessen Spur Yves Nat wiederentdeckt hat, uns das unsagbare Wesentliche davon, vielleicht unbewusst, übermittelnd.

Yves Nat by Monsegur Vaillant

            Wenn die Plätscher dieser fremden Ballade zu Ende gehen und die letzten Takte, die zu sagen scheinen "so war es richtig, kein Irrtum möglich", sind wir noch stumm vor jeder erklärbaren Emotion – wenn dieses "ich ziehe meine Version vor"  uns brutal in die Wirklichkeit zurückbringt, und wir sind bestürzt diesmal, bis zum Unbehagen, vor soviel Unverständnis und Verachtung.

            Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen : es gibt Gelehrte, Analytiker, Untersucher, Sezierer von Notenlinien, die zukünftigen Kritiker am unteren Ende der Skala, die Beckmesser von Trödelkram, die Entdecker von falschen Noten, selbstverständlich unfähig, die Musik, die hervorströmt, zu entziffern und, noch weniger, zu hören, zufrieden wie sie sind, Ratten und Mäuse aus Labokonservatorien - , an der Rinde von Geruch – und geschmacklosem Käse zu nagen.

            Schwierig, nach dieser Szene zu etwas anderem überzugehen. Zum Glück schlägt die Begabteste unter uns, eine wahre Musikerin diesmal, die Jeux d’Eau de la Villa  d’Este von Liszt vor ; sie arbeitet ein reines Wunder an Klarheit heraus. Einige Ratschläge folgen, die, falls dies nötig wäre, eine bereits untadelige Interpretation bestätigen.

            Der folgende Teller bringt das 3. Konzert von Beethoven, oder war es das von Liszt oder von Schumann – das Konzert von Saint-Saëns war als Strafe für wenig bemühte Schüler reserviert – es spielt keine Rolle, Yves Nat ersetzt das Orchester, ohne Partitur vor den Augen, und führt den Solisten oder die Solistin, denen es manchmal an Tempo oder an Schärfe fehlt, ans Ziel.

            Fast am Ende des 1.Satzes erscheint der Photograph, alljährlich und offiziell beaftragt, den Meister  und seine Schüler zu verewigen, auf immer ; das geschieht schnell. "Mit Liebe gemacht !", schliesst Yves Nat lächelnd ab. Aber für uns wird dieses unvollkommene Abbild kostbarer Zeuge bleiben von Jahren leidenschaftlich betriebener Musik unter der Leitung eines unersetzlichen Meisters, der die Werke der Komponisten – aus respektvoller Nähe – übermittelte, ohne Elemente eines aufgeblasenen Egos hinzuzufügen.

            Abgesehen von seinem eigenen Konzert, von dem er uns gewisse Passagen sehen liess – unter anderem dieser "Todeswalzer" und seine Klagen mit wiederholten Noten, die ihn, als Auftakt zu seinem Konzert imThéâtre des Champs – Elysées unter der Leitung von André Cluytens, zu beängstigen schienen – war er nicht mehr Yves Nat, sondern Beethoven, Schubert, Schumann, Chopin, Chabrier, Liszt, Brahms, Fauré, Debussy oder Ravel, und wenn es ein Instrument gäbe, das die in unseren Gehirnen registrierten Digitalbänder reproduzieren und die Sonaten, Variationen, Impromptus, Balladen, Fantasien, Barcarolles, Preludien, Nocturnos, Jardins sous la pluie, Jeux d’eau, Isle joyeuse, Scarbo und so viele mehr, die magisch aus seinen Fingern hervorkamen und auf immer in unser Gedächtnis eingegraben sind, wiedergeben könnte, dann gäbe es viele herrliche "Moments musicaux" für alle die Hörer, die nicht, wie wir, das Glück hatten, diese unschätzbare Gabe jenseits jeden Zugeständnisses an Umstände, direkt zu erhalten.

            Danke, Yves Nat, dass  Sie uns ermutigt haben, den einzig möglichen Weg zu verfolgen, den der Nicht-Gefälligkeit.

            Alle diese Notierungen in der Erwartung, Ihnen, vielleicht eines Tages, aufs Neue sagen zu können, "Guten Tag, Meister !"

Übersetzung : Dagmar Coward-Kuschke

Monsegur Vaillant

Filmographie : cf. document INA * La classe d'Yves Nat au Conservatoire National Supérieur de Musique de Paris avec Giselle Monsegur Vaillant au piano

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